Strasbourg III. Unentspannte Botschaften.
Vier Tage, vier läppische Tage hatte ich Urlaub, das erste und einzige Mal seit Anfang Juni. Den ganzen Urlaub in der ersten Jahreshälfte zu nehmen, war als genialer Schachzug geplant, entpuppte sich dann aber als selbstverschuldeter Horror, nachdem sich der Job im Herbst dann leider doch nicht hinwerfen ließ wie zuvor gedacht. Stattdessen durcharbeiten ohne Unterlass und auf die einzigen Tage schielen, die in meinem Terminkalender kurz, aber umso deutlicher markiert waren: Urlaub! Mangels Geld und um einem längst aufgeschobenem Besuchsversprechen nachzukommen, auf in Richtung Straßburg.
Und dann das. Jeden Tag, jeden einzelnen Tag, höre ich die Frage, die ich schon seit dem elterlichen Tisch, wenn ich am Morgen über der Müslischale hängend versuchte in den Tag zu gelangen, abgrundtief verabscheuen gelernt habe: Und, was machst du heute? Hier höre ich es noch in der Variante: Und, was hast du jetzt heute gemacht?
Und, was machst du heute? Ja, was mache ich denn heute. Vielleicht esse ich erstmal zu Ende. Vielleicht mache ich mir dann bewusst, dass ich Urlaub habe und eigentlich gar nichts machen muss. Vielleicht lasse ich mich auch mal treiben. Vielleicht tue ich aber auch nichts und starre Löcher in die Luft. Das kann ich nämlich auch in Straßburg machen.
Und, was hast du jetzt heute gemacht? Gestern bin ich mir die Füße wund gelaufen, sodass mein rechter Fuß sich heute nicht mal mehr richtig bewegen lässt. Ich bin vormittags zum Jardin botanique gelaufen, um festzustellen, dass er geschlossen hat, dann bin ich durch die Stadt gelaufen, um sagen zu können: ich bin durch die Stadt gelaufen. In der Mittagspause fragte mich eine: Wie, das wars? Und ich dachte: Was soll ich denn noch in zwei Stunden alles machen? Also bin ich am Nachmittag nochmal zum Jardin botanique, der mittlerweile offen hatte, dann bin ich bis zum Parc de l'Orangerie, ich bin bestimmt an die zwanzig Kilometer an dem Tag gelaufen und hatte abends das Gefühl, ich müsse mich rechtfertigen, rechtfertigen dafür, wie wenig ich gemacht habe. Nachdem ich zu Protokoll gegeben hatte, wo ich war, fragte mich ebendievorherige: Was, du warst nur in den beiden Parks, und dann? Und was machst du morgen?
Woher soll ich denn wissen, was ich morgen mache, vielleicht mache ich Leistungsverweigerung. Warum muss ich denn in meinem Urlaub unbedingt etwas machen, vielleicht will ich ja auch nur Urlaub und nicht mir die Füße wund laufen, und nicht nur müder sein als vorher. Ich schlafe schlecht, ich wache alle paar Minuten auf und merke, wie lang doch eine kurze Nacht sein kann, wenn man nicht schläft. Ich bin gestresst, ich bin immer gestresst, aber fühle mich hier noch viel gestresster als sonst. Sonst kann ich zumindest sagen: Ich hab ja gearbeitet, kein Wunder, dass ich angespannt bin. Aber hier ist doch eigentlich Urlaub, oder zumindest dachte ich das. Vielleicht ist aber der Urlaub auch nur eine Fortführung des Leistungsanspruchs im Alltag. Rein in den Urlaub, rein in den Stress in grün. Er sieht vielleicht nicht aus wie der Alltagsstress, was aber nicht heißt, dass er weniger stressig wäre. Er tarnt sich als Unternehmungslust. Statt dem Arbeitgeber kontrolliert die umgebende Gesellschaft, ob man auch bereit ist, die Leistung aufrechtzuerhalten, brav alle Sehenswürdigkeiten abzulaufen und in allen wichtigen Cafés zu essen. Es ist Stress, das ist es. Urlaubsstress. Zum Glück sind es nur vier Tage!

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