Samstag, 24. September 2016
An old world dies.
In meinem Kopf schwirren endlose, sinnlose, wertlose Ketten von Sinnsprüchen und Sprichwörtern, von Satzaneinanderreihungen. Schließende Türen, anstelle derer neue Türen sich öffnen, alte Welten, die untergehen, um neue entstehen zu lassen. Man weiß nie, wofür es gut ist., sagte neulich meine Mutter zu mir und ich wunderte mich, weil sich die Machtverhältnisse plötzlich gewendet hatten, und ich mich nicht erinnern konnte, wann sie das letzte Mal meine Mutter und ich ihr Kind war und nicht sie, sich in der Kinderrolle bequem eingerichtet, mich um mütterlichen Rat befragte. Aber sicherlich hätte auch ich ihr gesagt: Man weiß nie, wofür es gut ist., also akzeptierte ich ihr: Man weiß nie, wofür es gut ist., wenn es mich innerlich auch wurmte, mit Kinderaugen auf diesen Satz zu sehen und mich zu fragen, warum ich ihn mir nicht selbst gesagt habe.

Der Herbst hält Einzug und hat es in sich. Das Jahr stirbt sozusagen, wie die Welt in den end-, sinn- und wertlosen Sinnsprüchen und Sprichwörtern, und reißt noch einiges mit sich. Das Hochkochen sovieler Dinge, das Aufreißen sovieler totgeglaubter Geschichten. Gesichter tauchen wie Wasserleichen aus Flüssen auf, die man längst ausgetrocknet geglaubt hatte. Die Gesichter zeigen Menschen, die ich kaum wiedererkenne, weil sie sich so verändert haben, und doch ist es ja seltsam zu glauben, ich wäre die Einzige, die sich ändern dürfte, oder?

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Montag, 27. Juli 2015
Im alten Park.
Auf der Bank im Wald, neben mir ein Jogger, der die ganze Zeit die Treppe hinauf und wieder hinunter rennt.
Eine Frau kommt mit einem schwarzen Pudel, der eine Ente im Maul hat. Stolz trägt er sie bis vor meine Füße und lässt sie dort fallen. Tot und leblos liegt das Kuscheltier vor mir.
Na, hat sie sich sehr gewehrt? Musstest du lange jagen, bis du sie gefasst hast? frage ich den Pudel. Er hechelt glücklich vor sich hin. Ich stopfe ihm die Kuscheltierente wieder ins Maul und er läuft weiter.
Der Jogger rennt immer noch wie ein Verrückter die Treppe hinauf und wieder hinunter. Ich weiß gar nicht, warum man sowas macht.

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Träume vom Schreiben.
Manchmal träume ich zu schreiben, ich träume dann, dass ich diesen Editor öffne und Zeilen eintippe und tatsächlich tippe ich im Traum lange Texte und ausladende Gedichte und während ich träume und mir gewahr werde, dass ich ja nur schlafe, versuche ich zu entziffern, was ich da schreibe, um etwas zu haben, was ich schreiben kann, wenn ich denn dann wach bin, aber es gelingt mir nicht, leider gelingt es nie. Und so öffne ich diesen Editor und tippe Zeilen ein und oft genug lösche ich sie und schließe den Editor wieder.
Vorbei die Zeit, in der ich etwas zu sagen hatte.

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Blick aus dem Fenster.
Der Zug steht, der Sitz auch, und draußen, außerhalb des Fensters rast die Landschaft an mir vorbei. Manchmal frage ich mich, wie das wäre, wenn man in einem tatsächlich stehenden Zug säße und auf einer Leinwand außerhalb des Fensters eine Landschaft an einem vorüberrasen sähe, ob man dann vielleicht nicht trotzdem dächte, man selbst sei es, der rast und die Landschaft die, die steht; allein, weil es sonst eben auch immer so ist, dass es zwar wirkt, als ob der Zug steht, der Sitz auch, und draußen, außerhalb des Fensters die Landschaft an mir vorbeirase, aber ich tatsächlich in dem Zug ja die bin, die rast und die Landschaft die ist, die steht und sich nicht bewegt, nicht einen Millimeter, ja wie denn auch.

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Someplace.
Augen zu, auf, zu, Enttäuschung frisst das Herz auf, verleibt es sich ein und lässt es mit einem gewaltigen Schluck im Magen verschwinden. Tränen drückt es aus dem Auge, zu auf zu, geht es zu, auf, Wasser strömt, wieder zu. Schulterklopfen, Mitleid macht es nur schlimmer, lässt die Enttäuschung nicht nur das Herz, auch den Stolz fressen und mit einem gewaltigen Schluck hinunterwürgen. Eklig liegen sie in der Magengrube, Herz und Stolz, vereint in absurder Symbiose. Metaphern der Unnötigkeit, fast so unnötig wie die Enttäuschung, die eigentlich stattdessen hinuntergewürgt gehört.
Aber dafür ist man dann doch zu sehr mensch.

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Pläne und Zeiten.
Immer wenn ich im Terminplan gefangen bin und nicht rauskann aus den Kästchen, den gelb oder rot oder auch grün angemalten Kästchen mit Uhrzeiten und Orten darin, immer also, wenn ich in so einem gelben oder roten oder auch grün angemalten Kästchen sitze und nicht rauskann und sich die Uhrzeit oder der Ort wie ein Gitter vor mich schiebt und ich in diesem Kästchen also gefangen bin, dann kann ich nicht mehr. Ich schlafe unruhig, ich esse unruhig, und in jeder Zwischenpause, also immer dann, wenn da kein gelbes oder rotes oder grün angemaltes Kästchen ist, bin ich trotz alledem gefangen im Terminplan, gefangen in der weißen Lücke hinter dem Wörtchen "frei", das sich wie ein Gitter vor mich schiebt und mich also im Terminplan gefangenhält.
Ist der Terminplan wieder hinfällig, weil endlich wieder Ruhe einkehren kann, stehe ich Sonntagmorgens trotzdem früh auf, gerade, wenn die Morgenvögel zu schreien anfangen, ich frühstücke, ich putze, ich mache dies und das und dann ist es gerade mal zehn und eigentlich weiß ich schon nichts mehr mit mir anzufangen.

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Absurditäten.
Wie Sardinen, denke ich, wie Sardinen stehen sie gedrängt in der Bahn, Haut an Haut, Schweiß an Schweiß, den Atem vom einen und vom anderen im Gesicht. Im Versuch, den anderen nicht zu berühren, drehen sie sich und haben erst recht die Hand, das Bein, die Berührung des anderen am eigenen Körper. Im Gemenge ich, eine Hand in der Halteschlaufe, den Rest des Körpers abgestützt an anderen Körpern. Ich höre die Musik aus den Kopfhörern des Mannes rechts von mir, lasse sie das Gespräch eines Paares links von mir begleiten, während ich im Fenster eine Frau beobachte, die ihrerseits sich selbst beobachtet.
Bei jedem Halt geht die Tür auf und die schon so volle und gedrängte Masse sieht entsetzt auf diese zehn, fünfzehn, zwanzig Menschen, die ihrerseits entsetzt auf die so volle und gedrängte Masse sehen. Die zehn, fünfzehn, zwanzig Menschen holen Luft, halten sie an und quetschen sich seufzend durch die Tür, in die Masse hinein und werden innerhalb von Augenblicken selbst Teil dieser Masse, Haut an Haut, Schweiß an Schweiß, den Atem vom einen und auch vom anderen im Gesicht. Irgendwo hinten im Bahnabteil singt eine christliche Kindergruppe: Er ist am Kreuz gestorben, ich glaube fest daran...

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